Apostel Rainer Storck initiierte Anfang 2012 eine Projektgruppe zur Hilfe für Suchtkranke. Diese hat in den letzten Monaten ihre Hilfsangebote in den NRW-West-Bezirken vorgestellt. Im Gespräch berichtet der Apostel von den Perspektiven für die Suchtkrankenhilfe im Arbeitsbereich NRW-West.
Apostel Rainer Storck (54) ist in der Neuapostolischen Kirche Nordrhein-Westfalen seit drei Jahren zuständig für den Arbeitsbereich West. Er umfasst die Bezirke Dinslaken, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Niederrhein und Ruhr-Emscher. Die Seelsorge für Menschen in besonderen Lebenslagen beschäftigt ihn schon länger. Die neueste Initiative ist ein Hilfsangebot für Suchtkranke. Es richtet sich an diese direkt, aber auch an Familienangehörige, die Partner, Kinder und Eltern, die gleichfalls durch die Sucht des Verwandten betroffen sind und daher in nicht seltenen Fällen Co-Abhängige sein können.
Apostel, vor einiger Zeit wurde ein Team Suchtkrankenhilfe in der Neuapostolischen Kirche Nordrhein-Westfalen-West als Projekt eingerichtet. Was war der Anlass dafür?
Aus meiner Wahrnehmung beschäftigen wir uns schon seit langer Zeit mit der Gruppe der Suchtkranken. Apostel Klaus Zeidlewicz war zu seiner aktiven Zeit zuständig und hatte eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Bezirksevangelist Detlef Hochstein gegründet. Sie entwickelten einen Flyer, der später von Bezirksapostel Armin Brinkmann herausgegeben wurde. Dieser Flyer nennt sich: „Leitfaden für Seelsorger im Umgang mit Suchtkranken oder gefährdeten Mitgliedern unserer Kirche“.
Wir haben jetzt in Nordrhein-Westfalen-West die Aktivitäten einheitlich aufgestellt. Die bisher in der Suchtkrankenhilfe tätigen Glaubensgeschwister sind an mich heran getreten, weil in meinem Arbeitsbereich in einigen Kirchenbezirken bereits Selbsthilfegruppen existieren. Unser Anspruch ist es, diese zu vernetzen.
Wie wird der Bedarf für eine Suchtkrankenhilfe kirchenseitig eingeschätzt? Gibt es Erfahrungen diesbezüglich?
Die Mitglieder unserer Kirche sind Teil der Gesellschaft. Aus statistischen Erhebungen wissen wir, dass der Anteil der Suchtkranken bei fünf Prozent liegt. Ich gehe davon aus, dass wir in unseren Gemeinden den gleichen Prozentsatz haben.
Erfahrungen haben wir bereits durch die in den Bezirken Essen und Niederrhein eingerichteten Selbsthilfegruppen gesammelt. Die Glaubensgeschwister auf der Helferseite, die teilweise ausgebildete Suchtkrankenhelfer sind, arbeiten sehr engagiert. Das vorhandene Angebot wird angenommen und es geht jetzt darum, dieses Angebot ebenfalls in den anderen Bezirken zu etablieren.
Gab es schon Vorläufer dieser Initiative innerhalb der Neuapostolischen Kirche in Deutschland?
In den Gebietskirchen Deutschlands gibt es verschiedene Initiativen. Eine übergeordnete Abstimmung gibt es zurzeit nicht. Daher gehen wir das als Pilotprojekt in meinem Arbeitsbereich Nordrhein-Westfalen-West an.
Was versprechen Sie sich von einer Zentralisierung des Angebots?
Zum einen ermöglichen die Zentralisierung und der parallele Aufbau in den Bezirken eine Vereinheitlichung. Zum anderen verspreche ich mir davon, dass es bezirksübergreifend eine Hilfestellung gibt, zum Beispiel hinsichtlich der Termine sowie in Bezug auf den Einsatz des Fach- und Beratungspersonals.
Kommen wir zu den Zielsetzungen, die mit einer solchen Suchtkrankenhilfe innerkirchlich verfolgt werden. Welche allgemeinen Ziele werden gegenwärtig in Ihrem Arbeitsbereich Nordrhein-Westfalen-West mit einer Suchtkrankenhilfe verfolgt?
Wir verfolgen zwei Hauptziele. Erstens das Bekenntnis, dass wir in unseren Gemeinden Suchtkranke haben und dass wir damit offen umgehen. Zweitens, dass wir in unserer Kirche Angebote haben, um Betroffenen zu helfen und kompetente Ansprechpartner zur Verfügung stellen.
Und was soll die Suchtkrankenhilfe für die Betroffenen, ihre Partner oder Angehörigen leisten?
Die Selbsthilfegruppen werden in der Regel von ausgebildeten Suchtkrankenhelfern geleitet. Dort werden über Gespräche erste Kontakte aufgebaut, Berührungsängste abgebaut und dazu aus eigener Erfahrung persönlich geholfen. Darüber hinaus verweisen wir an geeignete professionelle Institutionen. Wir begleiten die Betroffenen zu diesen Instituten, in denen sie fachlich gut aufgehoben sind und ihnen geholfen werden kann.
Sie haben gerade die Teammitglieder der Suchtkrankenhilfe angesprochen. Welche Qualifikationen und Erfahrungen bringen sie denn für ihre Aufgabe mit?
Der Level der Qualifikationen und Erfahrungen ist unterschiedlich. Teilweise sind es ausgebildete Suchtkrankenhelfer, die sich durch externe Kurse weiterbilden. Wir haben ein Teammitglied, welches beruflich in einem großen Betrieb tätig ist und dort ebenfalls als Suchtkrankenhelfer arbeitet und von seinem Arbeitgeber für Arbeitskreise und Seminare freigestellt wird.
Kommen wir zur Organisation und zum Ausbau der Suchtkrankenhilfe. Wie organisiert sich das Suchtkrankenhelfer-Team in Nordrhein-Westfalen-West?
Es ist in der Aufbauphase momentan so, dass Priester Frank Storck aus der Gemeinde Kamp-Lintfort, selbst Betroffener, dieses Kernteam aufbaut und zunächst mein erster Ansprechpartner ist. Wir haben in einigen Bezirken weitere Glaubensgeschwister, die dieses Kernteam bilden. Der weitere Aufbau sollte so sein, dass künftig für jeden der sechs Bezirke ein Ansprechpartner vor Ort da ist.
Wie soll das Hilfsangebot inhaltlich ausgestaltet sein?
Wir sehen uns selbst zunächst einmal als Ansprechpartner und die Selbsthilfegruppen sind das, was der Name schon sagt: man spricht miteinander, lernt voneinander, lernt den anderen kennen, baut sich auf. Aber therapieren können wir nicht, da müssen wir an entsprechende Organisationen weiterleiten. Was wir zusagen, ist absolute Anonymität, wenn sie gewünscht ist. Und die Ansprechpartner, die in den Selbsthilfegruppen tätig sind, sind immer telefonisch erreichbar. Es gibt eine Art „Hotline“ zu den Ansprechpartnern, die direkt zu erreichen sind oder zurückrufen.
Durch Suchterkrankungen ergeben sich oftmals soziale Folgeprobleme. Besteht die Möglichkeit einer Begleitung zum Beispiel bei Wohnungsbeschaffung oder Jobsuche?
Was Arbeitssuche oder Wohnungsbeschaffung angeht, ist dies nicht das Arbeitsgebiet der Gruppe. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, wenn es von den Betroffenen gewünscht ist, einen Kontakt zum Neuapostolischen Sozial- und Bildungswerk (SBW) herzustellen.
Das SBW ist das Sozialbildungswerk, das unserer Kirche zugeordnet ist. Es ergänzt als gemeinnütziger Verein, die von der Kirche geleistete Seelsorge durch praktische Dienste im Sinne christlicher Diakonie. Dort kann möglicherweise entsprechende Unterstützung geleistet werden. Durch die enge Bindung an unsere Kirche ist die Hemmschwelle für einen Betroffenen nicht zu groß, sich an das SBW zu wenden.
Es ist eine Internetseite und ein neues Logo konzipiert worden. Möchten Sie dazu etwas sagen?
Das Logo stellt im Grunde skizzenhaft drei Menschen dar, wobei die mittlere Figur an Fäden hängt, also eine Marionette ist. Und die beiden anderen Menschen, die links und rechts neben dieser Marionette stehen, dieser unter die Arme greifen. Dies soll zeichenhaft andeuten: der eine ist abhängig, er ist eine Marionette, aber links und rechts ist jemand, der ihm helfen kann. Das Logo finde ich gut und geeignet für die entwickelte Internetseite.
Welche Finanzmittel sind denn für die Umsetzung des Projekts erforderlich?
Die Suchtkrankenhelfer bringen sich aus Überzeugung ehrenamtlich ein. Auf der anderen Seite kann ich mir durchaus vorstellen, wenn es um konkrete Kosten geht, wie zum Beispiel der Druck eines Flyers innerhalb der Öffentlichkeitsarbeit, zuweilen ein gewisses Budget bereitzustellen.
Ist geplant, öffentliche Mittel in Anspruch zu nehmen?
Das wird die Zeit mit sich bringen. Wir starten jetzt erst einmal mit sehr geringen internen Kosten und werden künftig prüfen, ob und wofür wir öffentliche Mittel beanspruchen und einsetzen können.
Apostel, es ist ein Trend geworden, von einer Vision zu sprechen. Wie sieht die Vision einer Suchtkrankenhilfe im Jahr 2017, also in fünf Jahren von heute gerechnet, in der Gebietskirche Nordrhein-Westfalen beziehungsweise Ihrem Arbeitsbereich Nordrhein-Westfalen-West aus?
Das vermag ich gar nicht abzuschätzen. Ich würde mich freuen, wenn wir dieses Angebot an Selbsthilfegruppen oder Ansprechpartnern in allen Kirchenbezirken Nordrhein-Westfalens initiieren könnten.
Welchen Wunsch, Apostel, haben Sie für das Projekt Suchtkrankenhilfe und das Helfer-Team?
Zum einen wünsche ich allen Beteiligten, die das Projekt entwickeln und durchführen werden, eine glückliche Hand und Sensibilität. Ich wünsche ihnen Erfolg für den Aufbau von Vertrauen, um den Betroffenen helfen zu können. Jeder, der betroffen ist, der sich traut, sich zu outen, jemanden anzusprechen – das wäre schon ein ganz wesentlicher Erfolg.
Zum anderen wollen wir die Probleme nicht größer machen, als sie eigentlich sind, aber wir haben erstens eine hohe Dunkelziffer und zweitens offensichtliche Fälle, die nicht angesprochen werden, weil der Umgang mit Kranken unklar ist. Und wenn uns dieses Projekt und die Leiter dieses Projektes dabei helfen können, den einen oder anderen anzusprechen, um ihm überhaupt helfen zu können, empfinde ich das als einen guten Schritt und als einen Gewinn.
Apostel Storck, herzlichen Dank für das Gespräch.
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