Vor circa sechs Jahren nach einem stationären Krankenhausaufenthalt, begann sich das Essverhalten meiner Tochter Laurita schlagartig zu verändern. Mir fiel auf, dass sie Unmengen von Lebensmitteln zu sich nahm, dabei jedoch noch abnahm. Mir erklärte sie glaubhaft, dass sie unter einer festgestellten Pilzerkrankung am Darm leidet.
Mehrmals täglich anfallartig auftretender Heißhunger
Auf einer Familienfeier nahm mein Bruder mich zur Seite und sagte: "Mit deiner Tochter stimmt etwas nicht. Ich habe eine Kollegin, die essgestört ist. Sie verhält sich genau wie deine Tochter." Auf diese Möglichkeit bin ich überhaupt nicht gekommen. Von nun an „überwachte“ ich ihr Essverhalten. Nach jedem Essen ging es zur Toilette, um sich zu übergeben. Ich habe sie direkt auf ihr Problem angesprochen, es wurde laut und energisch abgestritten.
Hatte ich als Mutter versagt?
Jetzt begann meine eigentliche „Co-Abhängigkeit“. Ich versuchte alle Probleme für Laurita zu lösen, alle Schwierigkeiten von ihr fernzuhalten und habe sie in Schutz genommen. Gleichzeitig sah ich, dass die Heißhungerattacken immer häufiger wurden. Meine Gedanken drehten sich nur um meine Tochter. Ich gab mir die Schuld an ihrem Verhalten, da ich glaubte, als Mutter versagt zu haben. In dieser Zeit ging es mir sehr schlecht. In unserer Ehe gab es nur noch ein „Thema“. Unser Privatleben richtete sich nach unserer Tochter. Sie hatte uns voll im Griff. Wir merkten nicht wie sie uns gegenseitig aufhetzte. Bald gab es keine schöne Familie mehr. Aber alles „Aufopfern“ unsererseits half nichts. Die Heißhungeranfälle gab es mehrmals täglich. Jetzt versuchte ich das komplette Leben von Laurita zu kontrollieren. Alle Lebensmittel und leere Verpackungen wurden aus sämtlichen Verstecken gesucht und meiner Tochter vor Augen geführt. Von nun an begann ein Dauerstress.
Besuch einer Selbsthilfegruppe
In dieser Zeit hörte ich von der Selbsthilfegruppe und nach mehreren vergeblichen Anläufen traute ich mich dorthin. Es dauerte lange bis ich begriff, dass nur ICH etwas ändern kann. Ich bin den Betreuern sowie auch allen anderen Mitbetroffenen unserer Selbsthilfegruppe dankbar. Ich habe in kleinen Schritten gelernt, meiner Tochter Grenzen zu setzen. Als „Co-Abhängige“ fällt es schwer, aber mit Unterstützung der Selbsthilfegruppe habe ich gelernt, konsequent dem Süchtigen gegenüberzutreten.
Es bleibt noch zu sagen, dass meine Tochter sich nach 2 ½ Jahren „extremen Lebens“ entschloss, eine Therapie für zwölf Wochen in einer psychosomatischen Klinik zu machen. Diese Zeit tat mir und meinem Mann sehr gut. Wir haben gemerkt, wie schön es ist, wieder füreinander da zu sein.
Nach der Therapie begann für Laurita und für mich ein neues Leben. In unendlich vielen Gesprächen, die oft schmerzhaft waren, kamen wir uns wieder näher. Wir haben gelernt den „Anderen“ zu akzeptieren. Als Eltern haben wir unsere Tochter losgelassen und ich weiß, dass eine Akzeptanz und Toleranz dem Anderen gegenüber unendlich wichtig ist.
Heute sind wir die besten Freundinnen, die sich „alles“ sagen können. Nicht immer ist es leicht für uns. Natürlich gibt es Rückfälle, sowohl beim Abhängigen wie auch beim Co-Abhängigen. Ich bin dem lieben Gott, den Amtsbrüdern und der Selbsthilfegruppe von Herzen dankbar. Ohne diese Hilfe würde es uns heute nicht so gut gehen.
Ich kann jedem empfehlen, sich nicht zu schämen fremde Hilfe anzunehmen. Nur so haben der Abhängige wie auch der Co-Abhängige eine wirkliche Chance.
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