Ich habe meinen Mann Waldefried als einen liebenswerten Menschen kennen gelernt. Da ich schon einmal verheiratet war, dachte ich natürlich, jetzt wird alles gut und unser gemeinsames Leben hat Bestand. Ich habe es nicht gemerkt oder auch nicht merken wollen, dass mein Mann dem Alkohol mehr zusprach, als es gut war. Nachdem wir uns ein dreiviertel Jahr kannten, heirateten wir im Oktober 1982.
Nach der Heirat kam der Wandel
Erst während der Ehe habe ich gemerkt, wie er wirklich war. Er hat sich viel mit Leuten gestritten, die gar nichts getan haben, und ich habe mich für ihn entschuldigt. Nachbarn haben kaum gegrüßt, denn mit denen hatte er auch Streit angefangen, und ich habe ihn in diesen Situationen ebenfalls entschuldigt. Er hat seine Arbeit verloren und es wurde mit seiner Trinkerei schlimmer. Mir hat er dann immer öfter einen kleinen oder mittleren Schnaps mitgebracht und gesagt: „Ein kleiner Spaßmacher kann nicht schaden.“ Es wurde zunehmend ärger! Ich musste mir immer mehr Lügen und Entschuldigungen einfallen lassen, um ihn zu schützen.
Unterstützung kam aus dem familiären Umfeld
Ich konnte bitten und betteln, er möge doch mit dem Trinken aufhören, alles vergeblich. Natürlich bemerkte ich, dass er von seiner Mutter unterstützt wurde. Sie steuerte Geld bei und versorgte ihn mit Alkohol. Das sogenannte „Barfach“ im Schrank war immer mit alkoholischen Getränken gefüllt. Ich habe sie des Öfteren gebeten: „Lass es doch sein, Waldefried trinkt sowieso schon so viel“, aber ich war dann die Hexe, die ihm nichts gönnte. Sogar die Tante von Waldefried gab ihm Schnaps mit, und ich kann den Satz nicht vergessen: „Trink den zu Hause. Besser deine Frau ärgert sich, als dass ich den Streit in der Wohnung habe.“
Das Elend nicht mehr sehen können
Aus den kleinen Spaßmachern, die Waldefried mir zukommen ließ, wurde dann mehr. Aus meiner Co-Abhängigkeit entwickelte sich dann eine eigene Abhängigkeit vom Alkohol. Ich war so weit, dass ich dachte: „Ist ja egal. Wenn ich trinke, sehe ich das ganze Elend nicht mehr oder nehme es nicht mehr so richtig wahr“. Anschließend betrank ich mich. Dennoch habe ich an meinen Arbeitsplatz gedacht, ich wollte meine Arbeit nicht verlieren und was sollten meine Kollegen von mir denken?
Die ganze Situation zwischen mir und meinem Mann wurde schlimmer. Er fing an, mich regelrecht zu verfolgen, egal, wohin ich mich auch bewegte. Die Jalousien wurden schon am Nachmittag herunter gelassen mit der Begründung, die Nachbarn würden uns beobachten. Durch sein Verhalten hatte mein Mann öfter den Arbeitsplatz wechseln müssen und kam meist nicht über die Probezeit hinaus.
Der Glaube ging verloren
Ungefähr ab 1999 besuchten wir nicht mehr regelmäßig die Gottesdienste; die Gedanken schon während der Gottesdienste konzentrierten sich auf den Weg zur nächsten Trinkhalle. Der Glaube an Gott war nicht mehr so wichtig.
Ich kam dann an einen Punkt, an dem ich dachte, ich schlucke am Abend Tabletten, trinke Alkohol und bis zum Morgen ist alles vorbei. Aber mein Innerstes sprach anders zu mir: „Dir wurde ein Leben geschenkt, wirf es nicht einfach weg. Du schaffst einen Neuanfang!“
Es kam der Trennungsschritt
Ich habe mir dann heimlich eine Wohnung gesucht, den Mietvertrag abgeschlossen und Möbel gekauft. Ende Mai 2004 bin ich umgezogen. Meine Arbeitskolleginnen erklärten sich bereit, mir zu helfen und meine persönlichen Sachen in die neue Wohnung zu schaffen. Nachmittags habe ich Waldefried auf seiner Arbeitsstelle angerufen und ihm mitgeteilt, dass ich ausgezogen bin und dass es keine gemeinsame Zukunft mehr gibt.
Der Entzug folgte
Im April 2005 entschloss ich mich zu einem Kurantrag mit dem Vermerk „Ich trinke zu viel Alkohol.“. Es kam der Hinweis, einen Entzug vorzunehmen, und ich entschied mich für einen Klinikaufenthalt in der Fachklinik St. Vitus in Visbek. Diese qualifizierte Entzugsbehandlung durch Entgiftung und Motivation dauerte von Ende August 2005 bis Anfang Januar 2006.
Im Anschluss daran erfolgte die Nachsorge in der Fachklinik Kamillushaus in Essen-Heidhausen in Form von Einzelgesprächen und Gruppentherapien. Außerdem besuchte ich die Selbsthilfegruppe in der Neuapostolischen Kirche im Bezirk Essen.
Leider hatte ich nach der Kur im Januar 2006 einen Rückfall, der trotz begleitender Therapiemaßnahmen bis Februar 2007 andauerte. Nach Gesprächen mit Teilnehmern aus der Selbsthilfegruppe, hatte ich es dann doch noch geschafft; seit dem 3. März 2007 bin ich trockene Alkoholikerin.
Ich kann stolz sein
Ich kann sagen, es war harte Arbeit, sehr harte Arbeit. Aber ich bin stolz auf mich, dass ich es geschafft habe, noch einmal von vorn anzufangen. Ganz besonders dankbar bin ich, dass ich meinen Glauben an Gott wiedergefunden habe. Die Besuche in einer der Selbsthilfegruppen in der Neuapostolischen Kirche sind mir zur Selbstverständlichkeit geworden.
Der Name wurde von der Redation geändert
Redaktionelle Bearbeitung: Ute Paul
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